Ich hätte da mal ein bis zwei Fragen…

Mit dieser Angelegenheit könnte man Bücher füllen. Aus Rücksicht auf immer knapper werdende Ressourcen, was irgendwann bestimmt auch mal die Buchstaben betreffen wird (schließlich müssen die ja auch irgendwo herkommen), folgt hier bloß ein kurzer moderater Kotzstrahl. Gewissermaßen das Gewölle eines Tages mit Eindrücken aus dem sogenannten sozialen Netz.

Moewe

Ja, wer nach Deutschland kommt, sollte bereit sein, sich den Gegebenheiten ein stückweit anzupassen. Ja, dieses Land ist (wohl) auf christlichen Werten aufgebaut, was respektiert werden sollte. Wie es sich mit dem Umstand verhält, dass viele Religionen den selben Grundsätzen unterliegen, wird gern mal unter den Tisch fallen gelassen. Weil wir aber spätestens seit dem letzten Satz wissen, dass Religionen lediglich verschiedene Namen für ein und dieselbe Software sind, frage ich mich:

Warum wird darauf Wert gelegt, dass es christliche Werte sind?

Warum wird gerade darauf von denjenigen Wert gelegt, die sich vor allem dadurch hervortun, die gelobten christlichen Werte nicht im geringsten zu achten?

Weshalb betont man die christliche Tradition, wenn diejenigen, die sie beschwören, sich nicht oder nur einmal im Jahr in der Kirche blicken lassen?

Warum enthalten so viele Posts, die von Flüchtlingen schnellstmögliche Anpassung fordern, eine so hohe Dichte von Rechtschreib- und Grammatikfehlern?

Wie kann es sein, dass man von Menschen, die fliehen mussten, verlangt, dass sie eine fremde Sprache sofort erlernen, während Landsleute freiwillig in andere Staaten auswandern und deren Sprache nichtmal ansatzweise beherrschen?

Wer von denjenigen, die mit ihren Beiträgen suggerieren, dass Einwanderer mit ihrem Eintreffen unsere Kultur unterwandern würden, hat jemals einen Schritt vor die Tür gemacht, um den Menschen die eigene Kultur näher zu bringen?

Was ist unsere Kultur überhaupt, wenn man von vorgeschobenen christlichen Bräuchen mal absieht?

Ich denke kaum, dass irgendein Pegida-Wurstbrot historisch, literarisch, musikalisch, kunstgeschichtlich – sprich: kulturell – das Grundgerüst dieses Landes umreißen kann. Das Interesse an christlichen Feiertagen und Festen ist ein geheucheltes, denn wer es das Jahr über nicht schafft, ein rechtschaffender Mensch zu sein, dem nimmt man die feierliche Miene im Ostergottesdienst beispielsweise nicht ab. Oder um es mit anderen Worten, denen der „meisten Band der Welt“, zu sagen:

„Ich lass mich nicht verarschen von Euch verlog’nem Pack. […]
Das ganze Jahr ein Arschloch und dann für einen Tag beginnt Ihr Euch zu lieben, dass ich es nicht ertrag‘.“

„Christliche Feiertage“, „deutsche Kultur“, „deutsche Frauen“…oha! Der handelsübliche Fahnenschwenker und freiberufliche Brandstifter kann vielleicht noch darüber hinwegsehen, dass solch abstrakte Dinge wie die ersten beiden Schaden nehmen, aber mit der deutschen Frau geht es um das höchste Gut, das der handelsübliche Bürger sein Eigen nennt. „Willkommen im Neandertal“, wie es die EAV vor Jahrzehnten schon sang.
Wie behämmert kann man eigentlich sein, zu suggerieren, dass Einwanderer nichts besseres zu tun hätten, als uns die Frauen auszuspannen? Warum sollte das jemand tun? Wer sollte denn jemanden „wegnehmen“, dessen Horizont mit „Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg!“ schon erschöpft ist? Über den abzuleitenden Tellerrand einer solchen Phrase muss man nicht weiter sinnieren.

Ich bin froh darüber, dass ich es im Alltag, im Studium, auf der Arbeit und beim Sport mit Griechen, Türken, Libanesen, Senegalesen, Koreanern, Polen, Russen, Syrern, Tunesiern und vielen anderen Nationalitäten zu tun habe. Das sind alles vernünftige Menschen, die mal akzentfreies, mal gebrochenes Deutsch sprechen; in manchen Fällen besseres als mancher Deutsche. Alle haben sich damit arrangiert, dass es christliche Feiertage gibt und Kurse sowie Sportangebote ausfallen, und im Gegenzug haben wir uns daran gewöhnt, dass manche Mannschaftskameraden zu einer bestimmten Zeit im Jahr eben nicht über volle 90 Minuten auf dem Platz stehen können oder Arbeitskollegen schon früh am Tag auf dem Zahnfleisch kriechen.
Wer nie mit Menschen etwas zu tun haben wollte, der kennt sowas natürlich auch nicht. Das ist dann aber sein persönliches Versagen.
Und jetzt kommt das Beste: Ich selbst habe mit Kirche und Christentum persönlich wenig am Hut, nehme vielmehr an Festtagen teil, weil es immer seltener wird, dass die gesamte Familie an einem Tisch sitzt. Das wird durch welchen Einfluss auch immer ewig unberührt bleiben. Die Kirche hingegen war in den vergangenen Jahren aus verschiedensten Gründen eine Enttäuschung und hat es darüber hinaus verpasst, flächendeckend den Sprung in die moderne Welt zu machen. Und auf eine solche Instanz wollen sich nun die Einwanderungskritiker berufen? Für viele Menschen hierzulande sind Feiertage doch gleichbedeutend mit „Hurra! Schon wieder ein Brückentag!“, werden zu verlängerten Wochenenden, werden vom Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse zum Tanz in den Mai, werden vom Reformationstag zu Halloween. So gibt es halt immer was zu feiern.

Da soll sich mal noch einer, der sich den fröhlich grinsenden Kürbis vor die Tür stellt, darüber beschweren, dass irgendjemand von außen die christlichen Feiertage angreift.

11 Kommentare

  1. Schön geschrieben! Da sind wir uns ja einig.

    (Kleiner Hinweis: Ausgerechnet unmittelbar hinter dem Absatz zur mangelnden Sprachbeherrschung der Nationalisten ist Dir ein „s“ aus der Tastatur gefallen: „suggerieren, dasS Einwanderer“.]

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  2. So schlecht sind die Kirchen nicht, von innen besehen. DIE haben nämlich nichts gegen Flüchtlinge einzuwenden, greifen selbst auf eine lange Tradition biblischer Flüchtlinge zurück incl. Josef und Maria in Ägypten; sie bieten Kirchenasyl, suchen Unterkünfte mit, hängen tief in der ehrenamtlichen Betreuung der Flüchtlinge mit drin und organisieren eine MENSCHENWÜRDIGE Heimreise abgelehnter Asylbewerber. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Pegidaner eine Kirche beliebiger Konfession von innen sieht, selbst wenn er das an Weihnachten täte, würde er rückwärts wieder hinausstolpern angesichts der Inhalte, um die es dort geht. Und welches Interesse könnte ein Pegidaner wohl an einem gefolterten und getöteten Gesellschaftskritiker, Herkunft naher Osten, wohl schon haben? Na also.

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  3. […] in meine Hirnwindungen bringen kann. Das war insbesondere bei meinem Artikel über den vermeintlich durch den Islam bedingten Niedergang christlicher Werte so. Ich rege mich über bestimmte Sachverhalte tierisch auf und dann überschlagen sich meine […]

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  4. Ich lese mich nun endlich durch Deinen Blog (Ja, ich habe heute frei, richtig frei, weil auch der Mitbewohner nicht zu Hause ist) und mutiere zum Fan. Was diesen Blog betrifft, kann ich nur alle unterstreichen. Wort für Wort. Punkt für Punkt

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