Langeweile oder: Nichts ist so schlecht, dass es nicht für etwas gut wäre…oder andersrum…

Ein Rückblick auf einen Spätnachmittag im Frühsommer 2010:

Es ist erstaunlich, wie produktiv Langeweile sein kann. Es ist auch erstaunlich, wie unproduktiv Langeweile sein kann, denn immerhin langweilt man sich ja und macht nichts, was einem die Langeweile erspart. Wie bricht man aus diesem Zirkel aus? Da gibt es meiner Meinung nach zwei Möglichkeiten.
02Möglichkeit A ist relativ teuer und davon abgesehen mit der unangenehmen Konsequenz verbunden, sich stark zu isolieren und den Anschluss an die Gesellschaft zu verlieren. Meine Mutter wäre ebenfalls sehr enttäuscht von mir und meine Freundin würde mir wohl auch was erzählen. Also scheidet Alkoholismus aus.

Möglichkeit B wäre der oftmals zweifelhafte Versuch, die Langeweile in Kreativität umzumünzen. Auf meinen Festplatten lagern einige musikalische Ergebnisse solcher Versuche. Die meisten sind schlecht, viele sind langweilig und eines ist das geworden, was man wohl „Mein persönliches one-hit-wonder“ nennen könnte.
Aus einer verrückten Laune heraus hielt ich es für sinnvoll, meine Schritte in der Wohnung Revue passieren zu lassen, als ich mal nach Hause gekommen bin und nicht wusste, was ich machen sollte. Am frühen Abend kann man Fernsehen getrost in die Tonne kloppen. N24 hat mir schon zigmal erklären wollen, was passiert, wenn die Menschheit von der Erde verschwindet oder wie hilflos wir Außerirdischen ausgeliefert wären, die möglicherweise irgendwo darauf warten, uns einen galaktischen Nackenschlag zu verpassen. Man kann es ihnen nicht verdenken, angesichts solch dämlicher Sendungen. Pro7 bringt mich mit Galileo regelmäßig auf die Palme, weil ich mittlerweile das Gefühl habe, dass die mich persönlich für dumm halten. Wenn ich für bare Münze verkaufte Halbwahrheiten hören möchte, diskutiere ich lieber mit einem Peta-Aktivisten über die Aufgaben moderner Zootierhaltung. Hohes Frustpotenzial. So auch bei Galileo. Und die öffentlich Rechtlichen…mal im Ernst, würden die nicht die Champions League übertragen, würde ich meinen Rundfunkbeitrag zurückfordern. Aber es gibt eben immer noch diesen einen Aspekt, den man denen zugute halten muss.

Also eben Spurenlesen im Feierabendmodus innerhalb der eigenen (angemieteten) vier Wände. Das Ergebnis war erschreckend. Die notierten Aktivitäten lassen auf einen dummen Menschen schließen, der sich möglicherweise seiner selbst nicht bewusst ist. Hier also kommt der Rückblick auf irgendeinen Tag im Jahr 2010:

Da kommt ein Typ nach Hause und macht lauter unnötige Dinge; wie zum Beispiel den Kühlschrank öffnen, an dessen Inhalt er aber nicht interessiert ist, weil er keinen Hunger hat. Nicht der Kühlschrank. Der Mensch. Kühlschränke haben selten Hunger, wobei ich das jetzt nicht belegen kann. Auf jeden Fall habe ich noch nie davon gehört, dass ein Kühlschrank vom Arbeiten nach Hause kommt, in die Küche stiefelt und dort seinen Menschen öffnet, um zu schauen, ob etwas zu Essen darin wäre, obwohl er keinen Hunger hat. Nicht der Mensch. Der Kühlschrank. Das kann entweder bedeuten, dass Kühlschränke generell keinen Hunger haben oder schlauer sind als ich. Denn ich schaue ja bekanntermaßen in den Kühlschrank, ohne an dessen Inhalt interessiert zu sein.
Ähnlich verhält es sich mit dem Klo, nur dass man da seltener etwas rausnimmt: Ich gehe rein, ohne irgendeinen Drang zu verspüren. Dadurch werde ich daran erinnert, dass ich im Kühlschrank Bier gesehen habe. Wenn ich Bier tränke, hätte ich später einen Grund, die Toilette aufzusuchen. Ich entscheide mich aber dagegen. Trotzdem latsche ich wieder in die Küche und von dort aus in Wohnzimmer. In unserem Wohnzimmer hängt eine Gitarre an der Wand und wenn mein Mitbewohner nicht da ist, klampfe ich immer ein wenig darauf herum. So auch an diesem Frühabend.
Irgendwie kommt aber nichts dabei rum und ich sitze doch nur mit der Gitarre auf dem Schoß im Wohnzimmer und lausche dem dröhnenden Schweigen einer menschenleeren Wohnung. Also weg mit der Gitarre.
Mein Computer ist mittlerweile hochgefahren. Ich gehe in mein Zimmer, setze mich an den Schreibtisch und starre auf den rechten Rand meines Bildschirms. ICQ. Keine Sau da. Ich ertappe mich dabei, wie ich eine Weile warte und jeden Moment mit dem Erscheinen einer grünen Blume rechne, die bedeutet, dass ein Gesprächspartner online ist. Ich wende mich ab und lasse meinen Blick durchs Zimmer schweifen. Gitarrenverstärker, Bett, Schrank, eine Kiste mit Kram, Bücher, ein Teppich und dieser GOTTVERDAMMTE ALTE WECKER, DER MICH MIT SEINEM TICK-TACK NOCH IN DEN WAHNSINN TREIBT!
Seit ich zur Wohnungstür reingekommen bin, ist todsicher schon eine Dreiviertelstunde vergangen. Mein Wecker straft mich Lügen, indem er mir hämisch durch seine frechen Zeiger verrät, dass die tatsächlich vergangenen vier Minuten einfach abartig langsam verstrichen sind. Einstein hatte wohl Recht. Zeit ist relativ.
Ich gehe wieder ins Wohnzimmer und versuche mich erneut an der Gitarre. Und es ist furchtbar. Es bleibt auch furchtbar.

Und doch haben diese paar Minuten im Frühsommer 2010 ausgereicht, um einen Artikel zu schreiben. Einen Artikel, der sich mit einem Lied befasst, das mir so leicht von der Hand ging, als ich den Schock über die Sinnlosigkeit meiner Taten in einer menschenleeren Wohnung überwunden hatte.
Und hier ist das Ding:

Strophe 1
Ich komm‘ nach Hause, lege meine Sachen ab
und verfall‘ in die Routine, die beginnt, wenn man Feierabend hat.
Geh‘ zum Kühlschrank, mach ihn auf, mach ihn zu und schau‘ sogar rein,
doch ich habe keinen Hunger fällt mir gerade noch ein.
Geh‘ zum Klo und merk‘, dass ich gar nicht muss,
denke einmal kurz an Bier, doch verzicht‘ auf den Genuss.
Und weil ich gerade denke, dass mich gar nichts mehr entzückt,
lauf‘ ich planlos in die Küche und ins Wohnzimmer zurück.

Und mein Blick fällt auf die Klampfe an der Wand,
nehm‘ sie runter in die Hand
und fang‘ zu schreiben an.

Refrain
Mir ist langweilig.
Keiner da, nichts ist los und die Stille erschlägt mich.
Langweilig.
Die Gedanken schwirr’n umher in einem sinnbefreiten Meer.
Und ich merk‘, wie mein Bewusstsein mit dem Tod ringt,
weil hier alles immer noch so monoton klingt.
Mir ist langweilig…allein.

Strophe 2
Ich leg‘ die Gitarre weg, weil sie nicht so will wie ich,
würde gerne etwas machen, nur Ideen kommen nicht.
Sitze regungslos sekundenlang nur da und schau ins Licht
meines Bildschirms: ich bin on, meine Freunde aber nicht.
Ich schau‘ durch mein Zimmer, ob mich etwas int’ressiert,
bis ich merke, dass mein Wecker meine Ohren malträtiert.
Mittlerweile sind schon ganze vier Minuten um
seit ich angekommen bin und hab‘ noch immer nichts zu tun.

Und weil es echt nur eine Sache gibt,
die ich alleine machen kann,
nehm‘ ich meine Gitarre und fang‘ zu singen an:

Refrain
Mir ist langweilig.
[…]

Bridge
Zu wach zum Schlafen und zu müde zum Bewegen
dröhnt die Ruhe auf mich ein wie ein Platzregen
und ich weiß nicht, was ich machen soll.
Keine Motivation für große Taten
und so kann ich nur noch auf ein Wunder warten,
das mir Beschäftigung bringt für den restlichen Tag.

Refrain
Mir ist langweilig.
[…]

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